„Wir waren nicht bereit, Kürzungen zu akzeptieren“

Mit gezielter Lobbyarbeit kann man viel bewegen, wie das Beispiel der neuen „Beratungsstellen Arbeit“ zeigt. Sie setzen gebündelt die Beratungsarbeit für arbeitslose und prekär beschäftigte Menschen fort, die bis Ende 2020 von Arbeitslosenzentren und Erwerbslosenberatungsstellen geleistet wurde. Drei Fragen dazu an Andrea Raab, Bereich Soziale Integration. 

Frau Raab, können Sie kurz die Entwicklung der letzten Jahre schildern?

Andrea Raab: Bereits mit dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen 2017 von einer SPD- zu einer CDU-geführten Landesregierung gab es Befürchtungen, dass die Förderung für die Arbeitslosenzentren und Erwerbslosenberatungsstellen eingestellt werden könnte. Wir hatten das zu Zeiten der Regierung Rüttgers ja schon einmal erlebt. Darum haben wir bereits im Herbst 2017 in der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begonnen, eine Strategie zu entwickeln, um für den Erhalt des Angebots und der dazu nötigen Landesmittel zu kämpfen. Die ESF-Landesförderung für die Arbeitslosenzentren und Erwerbslosenberatungsstellen lief zum Jahresende 2020 aus. Wir haben es geschafft, dass im Januar 2021 ein neues, ebenfalls mit ESF-Landesmitteln finanziertes Programm startet, das es ermöglicht, das Angebot in der Fläche zu erhalten und gleichzeitig weiterzuentwickeln.

Wie sah die Strategie aus?

Andrea Raab: Wir haben klar definiert, wo wir die fachlichen Schwerpunkte für die Beratungsstellen sehen, unter anderem darin, Menschen zu unterstützen, die seit langer Zeit arbeitslos sind und beim Jobcenter nicht die unabhängige Beratung finden, die sie suchen. Viele brauchen Unterstützung, um ihre Rechte auf Hilfen mit Anträgen bei den unterschiedlichen Stellen durchzusetzen; andere die Möglichkeit, einen PC zu nutzen, um Bewerbungen zu schreiben; und wieder andere einfach einen Ort, um sich mal aussprechen zu können. Als neue Herausforderung ist die verstärkte Unterstützung für Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen hinzugekommen, darunter auch immer mehr Geflüchtete und Menschen aus Osteuropa. Für all diese Ziele haben wir während der letzten Jahre eine konsequente Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Unter anderem haben wir im Sommer 2019 eine große Tagung veranstaltet, an der über 170 Menschen teilgenommen haben, darunter Mitarbeitende aus Arbeitslosentreffs und Erwerbslosenberatungsstellen ebenso wie Partnerinnen und Partner aus Kommunen, Jobcentern, Politik und Gewerkschaften. Ich denke, zentral war, dass wir die Bedeutung dieses NRW-weiten Angebots für die Menschen in den Mittelpunkt gestellt haben und hier nicht bereit waren, Kürzungen zu akzeptieren. Doch mit Blick auf die Strukturen, in denen es letztlich umgesetzt wird, waren wir in gewissem Rahmen offen für neue Modelle.

Am Ende hat dieser Plan dann zum Erfolg geführt?

Andrea Raab: Ja. Anfang 2021 starten überall in NRW die neuen „Beratungsstellen Arbeit“, die die Angebote, die bisher von Arbeitslosenzentren und Erwerbslosenberatungsstellen vorgehalten wurden, neu bündeln. Sie werden zudem verstärkt in die Hilfen für Menschen in ausbeuterischer Beschäftigung einsteigen, etwa auf dem Bau oder in der Landwirtschaft. Eine ähnliche Skizze für ein neues ESF-Programm hatten wir im Herbst 2019 beim ESF-Begleitausschuss eingereicht. Letztendlich wurde das Mittelvolumen im neuen Programm sogar leicht erhöht, ebenso die Anzahl der Stellenanteile. Die Förderung ist jetzt befristet bis Ende 2022; das hängt aber eher mit dem Auslaufen von ESF-Förderphasen zusammen. Entscheidend ist erst mal, dass landesweit ein wichtiges Angebot erhalten bleibt, das ist ein großer Erfolg. Wir haben uns innovativ und flexibel zugleich gezeigt, die Qualität unserer Arbeit für die Menschen in den Mittelpunkt gestellt und unseren Plan von 2017 einfach konsequent umgesetzt. So haben wir unser Ziel erreicht. 

© Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.

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